Artikel
vom 14.03.2002
Autor:
Dirk Thiele
Am
Anfang war das Ende..
..der
Wetter-Beobachtungs-Reihe 10381 (Wetterturm Dahlem) beschlossene
Sache. Und nun - 14 Tage und Nächte der Konspirativität später -
quo vadivimus?
Die
SPIEGEL-Beschau offenbart uns nur breitgefächerte Augenringe anstelle
breitgefächerter Artikel über eine Wetterreihen-Beerdigung oder
eine beispiellose studentische Initiative.
Vielleicht
lags ja an uns, die wir die uns allen klar sichtbare Dramatik der
Geschehnisse um den Wetterturm nicht geschickt genug an die Medien
weitertransportieren konnten.
Vielleicht
aber auch lags an dominanteren Geschehnissen wie immer leerere Stadtkassen,
Spendenskandale oder Afghanistan-Tragödien, die unserer Sache natürlich
die Wichtigkeit entzogen haben.
Die
Tragweite der meteorologischen Wissenschaften wird wohl weiterhin
im Dunkel verborgen bleiben für die, die etwas ändern könnten, wenn
sie unser Aufbegehren doch hörten.
Ob
uns die Mediziner, die nach absolviertem 3.(!) Staatsexamen sogleich
skandalös in Viel-zu-viel-Stunden-Diensten unter härtesten Bedingungen
(Leben- und Tod-Entscheidungen) verheizt werden, ein kleiner Trost
gegenüber dem Skandal an uns seien können?
Wir
Meteorologen jedenfalls sind selbst diesen und anderen Wissenschaften
eine Lehre von zweifelhafter Priorität. Dreister agiert da nur noch
die Politik, die Klimaschutzkonferenzen mit eindeutiger Aussagekraft
zu ökonomisch-gesellschaftlichen Problemen bewusst zu ignorieren
gelernt hat. Man müsste schon zum Äußersten bereit sein und die
Wetter-Prognostik weltweit bestreiken. Dann erst würde sich die
Wichtigkeit dieses Zweiges der Physik für alle Breitengrade nach
und nach dem Publikum eröffnen.
Aber:
Back to the Rubel`s!
Über
1700 EURO haben die, die uns so sehr zugetan sind, zusammengespendet
und nochenmal 500 EURO kommen aus anderen Quellen hinzu. Ob einzelne
Studenten mit erwähnenswerten 70 EURO oder Getränke-Hoffmännern
mit 1000 EURO, jedem entbehrtem CENT steht hier bei den fleißigen
Helfern ein genugtuendes Lächeln gegenüber: Wir sind nicht allein!
Dass die privaten Spenden keine Jahresfinanzierung sein würden,
sondern ein wichtiges Signal für eine breite Anteilnahme an uns
und uns desweiteren in die Lage versetzen könnten, noch ein wenig
Zeit für die Entwicklung weiterer Perspektiven und Verhandlungen
zu erkaufen, das war uns von vornherein klar. Derlei Perspektiven
allerdings lassen missen. Wo ernsthafte Verhandlungen zwischen Institutsleitung
und Wirtschafter Kachelmann an persönlichen, wohlgehüteten Antipathien
a priori scheitern, da hat die vergleichsweise blauäugige Studentenschaft
keine Chance. Mit einem so erfolgreichen wie expansiven Geschäftsmann
zu verhandeln, dazu muss man sich ganz sicher auch wärmstens anziehen
als Universitäter.
Die
Antwort auf ein Schreiben an den Bürgermeister der Stadt, Hr. Wowereit,
klingt auch von einem seiner Schreibtischtäter grau und nicht rot:
Wir bedauern.. Sache der Hochschule.. bla bla bla. Tja - und die
berliner Wirtschaft zeigt uns verbreitet aber dafür hartnäckig die
kalte Schulter. Die unter uns, die sich weiter als bis gestern an
bspw. die Zwangsarbeiter-Entschädigungs-Zahlungs-Zier der größten
deutschen Unternehmen erinnern können, die wirds wohl kaum wundern!
Wie unsichtbar sind da doch ein paar Meteorologen..
..und
wir sind wieder am Punkt der Verhältnismäßigkeiten! Man kommt unweigerlich
sofort auf die Idee von vorhin zurück: Erst die Totalbestreikung
der Wettervorhersage und das Abwarten auf die Ergebnisse daraus
könnten eine Denkkurve einleiten. Unnötige Opfer aus Überflutungen
und Orkanwinden wären ebenso schnell ein Tagesthema wie wirtschaftliche
Schadensfälle in gigantischer Höhe aufgrund nichtvorhergesagter
Wetterereignisse (Hagel, Frost, Gewitter, ...). Ich stelle mir gerade
die Frage, welche Versicherung als erste in den Konkurs hinübertreten
würde.
Und
überhaupt, wer eigentlich soll gutachterliche Aussagen für evtl.
Versicherungsfälle auch bei Nichtbestreikung zukünftig für Berlin
machen können?
JA!
Wir überlassen ganz einfach die Vorhersage den Medienvertretern
im Radio! Verbreitet dürfen die sich ihre Texte ja sowieso selbst
umschreiben und wir könnten uns entspannt zurücklehnen und amüsiert
an Hr. Mustermann denken, wie er wohl nach abermals akuten Wetter-Versprechen
der lustigen Radiotexter sein Radio in die Tonne wirft nachdem er
seine Wochenendplanungen wiederholt in die eben schon bemühte Tonne
treten musste! Ich jedenfalls wäre darüber sehr amüsiert.. aber
bevor ich in mein Lieblingsthema "Radio-Nonsens"
einschwenke (.."mein Satellitenschirm zeigt Niederschlagsechos über
Potsdam..") lieber zurück zur Turm-Vorhersage: Mit der heutigen
Nacht läuft sie nun ab, unsere Initiative "Weitermachen unentgeldlich
und rund um die Uhr für den Turm!" Und außer dass uns die Luft vor
Erschöpfung bald ausgeht, ist nichts klar.
Das
Experiment scheint gescheitert, selbst die Optimisten unter uns
schweigen betrübt. Bleibt fast nur noch die Frage, wie diese selbstlos
gespendeten 2000+X EUROs sinnentsprechend angelegt werden sollen.
Zeit gewinnen durch Aufrechterhaltung eines bezahlten weitergehenden
Schichtbetriebes (etwa zwei Wochen) ist ohne Perspektive was danach
kommen soll zwar noch die Spitzenreiteridee, aber ob das so recht
sinnvoll ist?! Das Gesammelte zu verflüssigen und eine große Helferleinorgie
zu veranstalten klingt schön in den Ohren, aber die Gewissenfrage
untersagt uns dieses Tun selbstredend! Oder aber eine ganzseitige
Anzeige in einer bedeutenden Zeitung Deutschlands oder auch Berlins,
das hätte schon etwas: Zu Grabe getragen wird..
Wenigstens nicht lautlos untergehen, das wussten schon die Titanicer.
Denn lautlos, das könnte allen Verantwortlichen so recht passen.
Politik und Wirtschaft und Hochschule. So nicht. Oder doch?
Abermals
Prost und bis nachher.
Ich
bin dann dabei.
Die
letzte Nacht.
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