Glossar
   

Synoptische Kurzanalyse für Deutschland

ausgegeben am Mittwoch, den 27.10.2004 um 19:00 Uhr MESZ

Benutze Modelle: ECMF Di 12UTC, GME (R192F) Mi 00UTC, GFS Mi 06UTC

Synoptischskalige Wellensituation: Langwellentrog Nordostatlantik, Orkanzyklone Biskaya

aktuelle Situation:

Nach wie vor synoptisch-skalig signifikant für Mitteleuropa ist ein positiv geneigter quasistationärer Langewellentrog mit eingelagertem Höhenwirbel über dem Nordostatlantik. Die harmonische Analyse der nordhemisphärischen Zirkulation zeigt dementsprechend auch eine Dominanz der stationären Wellenzahlen 5 und 6.
Am gestrigen Tage begünstigten zahlreiche Faktoren zudem eine rapide Zyklogenese (Druckfall > 1hPa/h über 24 h) in Höhe der Biskaya. Ausgangspunkt bildete ein eingelagerter Kurzwellentrog auf der Westflanke des Langwellentroges, der durch die Höhenströmung auf die hyperbarokline Vorderseite gelangen konnte und durch massive ZVA die Zyklogenese einleitete. Typisch für (fast) alle Zyklonen zu dieser Jahreszeit wirkt natürlich auch der diabatische Wärmefluss des warmen Ozeans labilisierend. Jedoch realisiert die Atmosphäre eine solch rapide Zyklogenese zumeist erst unter Einbeziehung eines weiteren energetischen Antriebs. Extrem trockene Luft aus der oberen Troposphäre oder gar der unteren Stratosphäre konnte durch differentielle AVA und KLA auf der Rückseite des Langewellentrogs bis in die mittlere Troposphäre absinken. Mit der strammen Höhenströmung konnte diese trockene Luft nun in die barokline Zone auf der Vorderseite des Langwellentroges gelangen und die die vertikale Schichtung dort zusätzlich potentiell labilisieren. Dieser Vorgang ist sehr eindrucksvoll auf dem Wasserdampfbild von 01 UTC zu sehen, wo trockene Luft durch die Schwarzfärbung erkennbar ist. Diese schwarze Zunge wird oftmals auch als "dry slot" bezeichnet und der Prozess an sich als "Dry Intrusion". Ferner besitzt die hochtroposphärische bzw. niederstratosphärische Luft, die durch die Dry Intrusion mit in die Zirkulation einbegriffen wurde, höhere Werte an isentroper potentieller Vorticity (IPV). Zwar wird beim Absinken auf der Trogrückseite durch die dabei eintretende Zunahme der statischen Stabilität zuerst zyklonale relative Vorticity abgebaut (Erhaltungssatz der IPV), jedoch kann umgekehrt auf der Trogvorderseite bei Hebung und einsetzender Labilisierung massiv zyklonale relative Vorticity produziert werden. Das Zusammenwirken all dieser Prozesse unterstützte nun diese rapide Zyklogense, bei der ein Druckfall zwischen Dienstag 00 UTC und Mittwoch 00 UTC von fast 45 hPa in 24 Stunden analysiert wurde und eine mächtige Orkanzyklone über der Biskaya entstehen konnte. Ebenfalls sehr markant ist der aktuelle Luftmassengegensatz an den Fronten. Vor allem die maritime Tropikluft (mT) im Warmsektor gelangt doch recht selten zu dieser Jahreszeit in solch hohe Breiten.
Das aktuelle Wasserdampfbild sowie die aktuelle Bodenanalyse zeigen auch noch einmal eindrucksvoll die Mächtigkeit dieses Orkantiefs mit seiner mittlerweile gebogenen Okklusion.
Deutschland verbleibt trogvorderseitig damit in einer südwestlichen Höhenströmung, in die kurzwellige Störungen eingelagert sind. So konnte ein Kurzwellentrog mt seinem Hebungsfeld eine wellende Bodenfront induzieren, die heute vor allem im Osten Deutschlands anfangs noch leichte Niederschläge hervorbrachte. Ein nachfolgender Kurzwellenkeil sorgte daher in weiten Teilen des Landes für wenig Wetteraktivität.


Beschreibung des Kurzfristzeitraums (Tage 1 bis 3)

Da die Orkanzyklone aktuell praktisch nicht mehr an den einstigen schnell wandernden Kurzwellentrog gebunden ist, bekommt sie an Tag 1 (Mittwoch) zunehmend stationären Charakter. Die bodennahen (reibungsbedingten) ageostrophischen Windkomponenten (vor allem der isallobarische Wind) sind richtungskonvergent zum Wirbelzentrum und wirken unter stationären Bedingungen zunehmend zyklolytisch. Auf den Karten ist dies durch die quasivertikale Achse zwischen den Zentren der Bodenzyklone und des Höhenwirbels zu erkennen. Somit zeigen die Modelle an Tag 2 auch keine weitere Intensivierung und Verstärkung der Bodenzyklone, jedoch wird das Frontensystem weiterhin spiralartig um das Tief "aufgewickelt". Die okkludierende Frontalzone, welche an Tag 2 den Westen Deutschlands erreicht bekommt ferner eine zunehmend strömungsparallele "schleifende" Komponente, so dass Aufgleitniederschläge damit einhergehen.
An Tag 3 (Freitag) erreicht die Zyklolyse über der Biskaya ihren Höhepunkt mit Druckanstiegstendenzen von ca. 1hPa/h. Alle Modelle zeigen für die Trogvorderseite kleinere barokline Wellen, die im Verlaufe des Tages auch Deutschland überqueren sollen. Allerdings wird die genaue Position und Stärke recht unterschiedlich beurteilt.

Beschreibung des Mittelfristzeitraums (Tage 4 bis 7)

Einheitlich berechnen alle Modelle den Übergang zu einer etwas kürzerwelligen synoptisch-skaligen Wellensituation. Dies beginnt mit der zunehmenden Amplifizierung des nordostatlantischen Langwellentrogs infolge Geopotentialfalls durch differentielle NSA, welche von allen benutzten Modellen ab Tag 4 (Samstag) gezeigt wird. Sehr gut erkennbar ist dies an der größeren Amplitude der Isothermen gegenüber den Isohypsen, was nach der ROSSBY´schen Wellentheorie ebenfalls den Übergang zu einer progressiven Welle signalisiert.
Sehr unterschiedlich sehen die Modelle allerdings die konkreten Auswirkungen. Während ECMF eine beginnende Cut-Off Bildung ab Tag 5 andeutet, lässt GME die Amplitude des Troges weiter anwachsen und Deutschland ins Gebiet höhenkalter Luft kommen. Das amerikanische GFS zeigt ebenfalls eine weitere Amplifizierung, allerdings kommt Deutschland hier bei einer sich negativ aufsteilenden Trogachse in eine südliche Höhenströmung.

Marcus Boljahn

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