Glossar

 

Solenoide / Solenoidalzirkulation
 

Definition:

Die rhombenartigen Schnittfiguren zwischen isobaren und isothermen Flächen werden als Solenoide bezeichnet. Wie die Vorticitygleichung zeigt, wird durch das Vorhandensein von Solenoiden (relative) Vorticity produziert. Die dadurch angeregte Zirkulation wird entsprechend horizontale Solenoidalzirkulation (mit vertikaler Rotationsachse) genannt. Analog ergibt sich natürlich auch eine vertikale Solenoidalzirkulation (mit horizontaler Achse).
Unter der Voraussetzung, dass sich benachbarte p- und T-Flächen jeweils nur um eine SI-Einheit voneinander unterscheiden, ergeben sich dann Einheitssolenoide.

Anschauung:

Sind Isothermen und Isobaren zueinander geneigt, so spricht man auch von einer baroklinen Atmosphäre. Die Anzahl der Einheitssolenoide ist für eine betrachtete Fläche folglich ein Maß für die vorhandene Baroklinität. Zugleich ist es natürlich auch ein Maß für die resultierende barokline Solenoidalbeschleunigung.
Aus der Vorticitygleichung ergibt sich der solenoidale Produktionsterm nun als Vertikalkomponente des Kreuzproduktes aus Druckgradient und Gradient der reziproken Dichte. Demnach kann man nun einen Solenoidvektor bilden, indem man alle Komponenten betrachtet. Die horizontalen Komponenten ergeben natürlich den horizontalen Solenoidvektor, der die in der Definition erwähnte vertikale Solenoidalzirkulation antreibt.
Auch aus rein mathematischen Überlegungen wäre man auf diese Definition des Solenoidvektors gekommen, da die Neigung zwei Flächen zueinander durch das Kreuzprodukt ihrer Gradienten ausgedrückt werden kann, welches bei Parallelität verschwinden würde.

Scale-Analyse der baroklinen Solenoidzirkulation

Die horizontale Solenoidalzirkulation fällt der Scale-Analyse der Vorticitygleichung in der synoptischen Skala "zum Opfer". Sie ist ist um eine Zehnerpotenz kleiner als beispielsweise der Divergenz- und der Advektionsterm. Bei der Transformation ins p-System verschwindet der Solenoidterm mathematisch natürlich exakt (Druckgradient auf isobarer Fläche=0), jedoch ist er natürlich weiterhin implizit im System enthalten und wurde quasi mittransformiert. Bei mesoskaligen Betrachtungen mit großem horizontalen Temperaturgradienten z.B. in der Frontalzone hat die vertikale Solenoidalzirkulation dagegen oftmals großen Einfluss auf die Vorticityproduktion und damit auch auf die (horizontale) dynamische Stabilität der Höhenströmung.
Die vertikale Temperaturgradient ist dagegen um einiges markanter als der horizontale, so dass auch verständlich wird, warum der Solenoidvektor als quasihorizontal angesehen werden kann. Die resultierende vertikale Solenoidalzirkulation ist thermisch direkt, so dass Kaltluft zum Absinken und Warmluft zum Aufsteigen bewegt wird. Anschaulich wird dadurch die vorhandene Neigung zwischen den Isothermen und Isobaren abgebaut.

Bedeutung und Beispiele:


Eine große Bedeutung erfährt die vertikale Solenoidalzirkulation bei der Betrachtung der Neigung der Frontalzone. Durch ihre starke Wirkung erscheint die Frontalzone im Mittel sehr flach mit einer Neigung von 1:100.
Eine weitere wichtige Bedeutung ergibt sich bei der Betrachtung von lokalen (mesoskaligen) Windsystemen. Die Land-Seewind-Zirkulation ist beispielsweise eine nahezu komplett vertikale Solenoidalzirkulation. So wird durch die stärkere Erwärmung des Landes am Tage eine recht starke Solenoidalzirkulation angeregt, dessen unterer Ast vom Meer zum Land und gerichtet ist. Aus Kontinutätsgründen ergibt sich ein seewärts gerichteter oberer Ast und ein Aufsteigen (sowie die Entstehung eines lokalen Hitzetiefs) über Land bzw. Absinken (und lokales Kältehoch) über dem Meer.

Diese sehr einfache Skizze zeigt zumindest qualitativ die resultierende vertikale Solenoidalzirkulation am Tage. Bei entsprechender Grundschichtfeuchte können sich im aufsteigenden Zirkulationsast über dem Land natürlich Quellwolken bilden.

In der Nacht kehren sich die Verhältnisse aufgrund der hohen spezifischen Wärmekapazität und der damit verbundenen sehr schleppenden Abkühlung um. Allerdings ist die Atmosphäre nachts im Mittel vertikal stabiler geschichtet, so dass die Solenoidalzirkulation nur einen leichten bodennahen Wind zum Meer induziert.

Umgekehrt zeigt diese ebenfalls einfache Abbildung die beschriebenen nächtlichen Verhältnisse, wobei jedoch oftmals auch Konvektion über dem Wasser stattfinden kann.

Natürlich ist die Land-Seewind-Zirkulation insgesamt den allgemeinen Strömungsverhältnisse nur überlagert, so dass selten exakte Land- bzw. Seewinde gemessen werden. Zudem kann die Corioliskraft bei größräumigen Land-Seewind-Zirkulationen ebenfalls eine ablenkende Wirkung haben.


© Marcus Boljahn

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