Einleitung:
Der Prozess der Zyklogenese hängt
von sehr vielen Faktoren ab und läuft daher im allgemeinen
auch recht unterschiedlich ab. Dennoch gleichen sich Frontenzyklonen
in ihrem Lebenszyklus doch in vielen wichtigen Punkten. Quasi
der ideale oder idealisierte Lebenslauf einer Zyklone der mittleren
Breiten soll im Folgenden dargestellt werden.
Beschreibung des Lebenszyklus:
1. Schritt: Stationäre Front
Ausgangspunkt jeglicher zyklogenetischer
Aktivität ist eine barokline Atmosphäre, angeregt
durch einen isobaren Temperaturgradienten.
In besonders baroklinen Gebieten (hyperbarokline Zonen) bildet
sich bekanntlich der Jetstream
und es existiert ein thermischer
Wind, folglich auch eine starke vertikale Windscherung.
All diese Voraussetzungen sind jeweils äquivalent zueinander
und können nicht einzeln von einander getrennt auftreten.
Unter der Annahme einer rein geostrophischen
Strömung kann sich nun eine strömungsparallele, quasistationäre
Frontalzone ausbilden, die nach der
MARGULES´schen Gleichgewichtsbedingung jedoch einer Neigung
unterworfen ist. Somit erscheint die Front
am Boden zur warmen Seite hin verschoben. Allerdings werden zumeist
nur an der Polarfront vom Boden
bis zur Höhe durchgehende geneigte Frontalzonen
beobachtet. Die nur im Winter markant ausgebildeten Subtropen-
und Arktikfronten erstrecken sich
dagegen nicht über die gesamte Troposphäre. Die bodennahen
divergenten geotriptischen Winde im Bereich der Subtropen wirken
stark frontolytisch, so dass die
Subtropenfront ein Phänomen
der oberen und mittleren Troposphäre darstellt. Umgekehrt
verhält es sich bei der Arktikfront,
die hauptsächlich durch unterschiedliche bodennahe winterliche
Ausstrahlung (Albedo, Unterschiede Land <-> Wasser) generiert
wird und somit in der Höhe diffus wird.
Eine einfache stationäre Front
ist auf diesem Bild mit zwei entsprechenden Vertikalprofilen dargestellt.
Man erkennt beim Schnitt zwischen A und B sehr gut die mit der
Höhe zur kalten Seite geneigte Frontalzone.
Ebenfalls sehr gut erkennbar ist die starke zyklonale Windscherung
im Bereich der Front.
2. Schritt: Frontenwelle
Mit Hilfe der ROSSBY´schen
Wellentheorie lässt sich zeigen, dass eine rein (parallele)
geostrophische Strömung
nur ein labiles Gleichgewicht darstellt. Je größer
die Geschwindigkeit, also auch je größer die Baroklinität,
umso eher neigt die Atmosphäre dazu Wellen auszubilden. Anders
ausgedrückt heißt dies, wird eine starke (parallele)
geostrophische Strömung einmal gestört, so kann diese
Störung anwachsen bis rücktreibende Kräfte einwirken.
Dieses Prinzip der baroklinen Instabilität wurde bereits
bei der Diskussion der Neigungskonvektion
beschrieben. Solche kleinen Störungen treten vor allem in
Form von Deformationsfeldern in der reibungsbehafteten PGS
auf. In Verbindung mit einer solchen Störung kann nun die
Zyklogenese beginnen und eine Frontenwelle
entsteht.
Die Frontenwelle ist anhand der geschlossenen Isobare
zu erkennen. Gleichzeitig sorgen die infolge der Zyklogenese
entstehenden frontsenkrechten isallobarischen
Windkomponenten für eine sichtbare Wellenbildung und
Verlagerung der Front. Leider ist kein Warm Conveyor Belt eingezeichnet,
jedoch wird die Luft infolge der schnelleren Höhenströmung
die Frontalzone quasi von hinten überholen, so dass eine
Katakaltfront und eine Anawarmfront
zu erwarten sind. Dies ist zumindest in den entsprechenden Vertikalschnitten
durch die Fronten anhand der eingezeichneten
Relativgeschwindigkeit (schwarzer Pfeil) auch auszumachen. Allerdings
betrifft die Hebung im Prinzip das gesamte Druckfallgebiet,
so dass auch die Warmluft an der Kaltfront gehoben wird. Ist diese
letztgenannte Hebung stärker als die eingangs erwähnte
absinkende Höhenströmung in den abwärts geneigten
Isentropen innerhalb der Kaltfrontschicht,
dann ist eine aufsteigende Relativbewegung ebenso in der Kaltfront
möglich. In diesem Fall beobachtet man eine Anakaltfront,
was zu Beginn einer Zyklogenese
auch den Normalfall darstellt.
Dass solch eine Wellenstörung sich zumeist bis in die mittlere
und obere Troposphäre fortsetzt, ist am Vertikalschnitt zwischen
A-C zu sehen.
Diese Abbildung zeigt, dass eine Frontenwelle auch mit einer
Deformation des Temperaturfeldes (Isothermen
gestrichelt) einhergeht. Dabei wächst die thermische Amplitude.
3. Schritt: Instabile Frontenwelle
Der dritte Schritt ist nun entscheidend für die weitere
Entwicklung. Es gibt zum einen die Möglichkeit, dass die
entstandene Frontenwelle durch fehlende Zyklogenese
stabil wird und sich mit der frontsenkrechten Komponente der
Strömung verlagert.
Andererseits kann sich bei anhaltender Zyklogenese
(und zumeist auch Frontogenese)
eine instabile Frontenwelle wie in obiger Skizze ausbilden,
welche den Ausgangspunkt zur Entstehung einer Zyklone darstellt.
Typischerweise erfahren vor allem Störungen, die sich im
rechten konfluenten Einströmbereich eines Jetstreaks
befinden, einen erheblichen frontogenetischen
Antrieb, so dass hier bevorzugt instabile Frontenwellen
gebildet werden.
Die Vertikalschnitte zeigen analoge Frontstrukturen zum vorherigen
Schritt, allerdings hat sich wie auf dem linken Bild der instabilen
Frontenwelle sehr gut zu erkennen, bereits ein Warmsektor
ausgebildet.
Die Beurteilung, ob eine Frontenwelle instabil werden kann oder
eher einen stabilen Zustand umschreibt, ist eine der schwierigsten
Aufgaben für die numerischen Modelle und dementsprechend
auch für den Synoptiker. Bekannt ist, dass eine kritische
Grenze der Wellenlänge nicht unterschritten werden darf,
sonst bildet sich eine dynamisch stabile Frontenwelle, welche
sich fast nur noch verlagert, aber nicht mehr entscheidend zu
einer Zyklone weiterentwickelt.
Die instabile Frontenwelle sorgt für ein weiteres Anwachsen
der isothermen Amplitude. Isohypsen
und Isothermen schließen dadurch
auf der Trogvorderseite mittlerweile einen großen Winkel
ein, so dass die Baroklinität erhöht und eine horizontale
Solenoidalzirkulation angeregt wird.
Ebenfalls erkennbar ist das die Zyklogenese
begünstigende antizyklonal gekrümmte diffluente thermische
Windfeld mit der thermischen Keilachse über dem tiefsten
Bodendruck. Dadurch kann nachfolgend zyklonale thermische
Vorticity advehiert werden, was gleichbedeutend mit zyklonaler
DVA ist und daher mit weiterer Zyklogenese
einhergeht.
Quelle: www.wetter3.de
Auch auf dieser Abbildung erkennt man sehr schön den
phasenverschobenen thermischen Trog und die dadurch resultierende
Advektion zyklonaler thermischer
Vorticity.
4. Schritt: Beginnende Okklusion
Während die Hebung der Warmluft
wie im 2. Schritt beschrieben anfangs nahezu das gesamte Druckfallgebiet
erfasste, so sorgt die zunehmende frontsenkrechte isallobarische
Windkomponente dafür, dass der warm Conveyor Belt
immer mehr in Richtung Warmfront gedreht wird. Folglich wird die
Kaltfront immer mehr zur Katakaltfront
während die Warmfront ihren Anacharakter
verstärken kann. Hinter der Katakaltfront kann dagegen die
kalte Luft absinken, so dass Wolkenbänder nun hauptsächlich
auf den Warmsektor und den Aufgleitbereich der Anawarmfront
konzentriert sind. Notwendige Folge aus diesen thermisch direkten
Vertikalbewegungen ist ein Schrumpfen des Warmsektors. Die austeigende
spezifisch leichtere warme Luft wird nach und nach durch die einfließende
spezifisch schwerere kalte Luft ersetzt. Aus Kontinuitätsgründen
wird durch das Aufsteigen in der Warmluft eine horizontale
Konvergenz am Boden und eine Horizontaldivergenz in der
Höhe erzeugt. Genau umgekehrt ist es natürlich bei
der absinkenden Kaltluft, welche in der Höhe verengt wird
(Konvergenz) und am Boden auseinander fließt (Divergenz).
Anschaulich heißt dies nichts anderes, als dass die Katakaltfront
beschleunigt, während die Anawarmfront
abgebremst wird und sie sich somit vereinigen.
Das Anheben der Warmluft und die einhergehende Verkleinerung des
Warmsektors sorgt also für den Zusammenschluss zweier
Fronten, welcher als Okklusion bezeichnet wird.
Die obige Abbildung zeigt den beginnenden Okklusionsprozess.
Dabei wird die Stelle, wo sich Kalt- und Warmfront am Boden treffen
als Okklusionspunkt bezeichnen. Im Normalfall ist kurz
vor dem Okklusionspunkt auch das Gebiet des stärksten Druckfalls
zu verzeichnen.
Der Vertikalschnitt zwischen C und D zeigt dann auch sehr gut
die bereits abgehobene Warmluft, während zwischen A und B
noch ein schmaler Warmsektor zu sehen ist.
5. Schritt: Okklusionsprozess
Kommt es zu einer anhaltenden bodennahen horizontalen Konvergenz
im Bereich des Warmsektors, so schrumpft dieser durch die in Schritt
4 beschriebenen Prozesse weiter. Katakaltfront
und Anawarmfront vereinigen
sich zu einer Okklusionsfront. Die Warmluft wird dabei natürlich
weiter gehoben und ist dadurch in Höhenkarten besser zu erkennen.
Am Boden bleibt eine schmale hyperbarokline Okklusionsfrontschicht
bestehen, wo jedoch Erwärmung und anschließende Abkühlung
in der Minutenskala ablaufen. Die Okklusionsfront trennt also
zwei Kaltluftmassen voneinander. Oftmals haben diese Kaltluftmassen
jedoch nicht die gleichen Luftmasseneigenschaften. Ist die nachfolgende
Luftmasse kälter als die vorige, so spricht man von einer
Kaltfrontokklusion, umgekehrt bei nachfolgender wärmerer
Luft bleibt eine Warmfrontokklusion beim Zusammenschluss
von Kalt- und Warmfront bestehen. Im Normalfall unterliegt die
Okklusionsfront einer Vorwärtsneigung, da die Warmluft
von vornherein flacher geneigt ist. Bei Kaltfrontokklusionen ergibt
sich jedoch oftmals auch eine teils rückwärtige Neigung,
vor allem in den unteren Schichten der Troposphäre, da hier
die nachfolgende kältere Luft schnell einfließen kann.
Dieser eher frühjahrs- und sommertypische Fall einer Kaltfrontokklusion
ist in den Vertikalschnitten zwischen C und D bzw. A und B dargestellt.
Im Herbst und Winter werden dagegen vermehrt Warmfrontokklusionen
beobachtet, da die nachfolgende Kaltluft über dem wärmeren
Wasser eine diabatische Erwärmung erfährt.
Auf
der linken Abbildung erkennt man sehr gut, wie sich Kalt- und
Warmfront am Boden zur Okklusion vereinigt haben und gleichzeitig
der Okklusionspunkt sich natürlich vom Wirbelzentrum entfernt.
Durch die ständige bodennahe Horizontalkonvergenz kann fortlaufend
relative Vorticity produziert werden (Vorticitygleichung), so
dass Okklusionsfronten eine hohe Spiralität aufweisen
können. Besonders intensiv ist diese Spiralität ausgeprägt,
wenn in den Hebungsprozess sehr energiereiche feuchte Luftmassen
einbezogen sind. Durch die freiwerdende latente Wärme bei
der Kondensation wird die Vertikalbewegung noch einmal beschleunigt,
was die Horizontalkonvergenz und damit auch die Vorticityproduktion
verstärkt. Im Extremfall kann die Okklusion somit mehrfach
spiralförmig um das Wirbelzentrum herumgebogen werden, was
als Backbent-Okklusion bezeichnet wird.
Der Wolkenschirm ist durch das Aufgleiten allgemein präfrontal
angeordnet und entfernt sich mit zunehmender Dauer des Okklusionsprozess
vom Zentrum der Zyklone.
Aufgrund der schlechten Auflösung ist auf obiger Abbildung
leider nicht so gut zu erkennen, das mit fortschreitendem Okklusionsprozess
das Isothermenfeld weiter deformiert
wird und die warme Luft in der Höhe nach und nach mit dem
Trogzentrum übereinstimmt. In der englischen-sprachigen Literatur
fällt hierbei oft der Begriff TROWAL (TRough of Warm
air ALoft).
Dieses einfache konzeptionelle 3D-Modell zeigt die Trowal-Achse
bei einer Kaltfrontokklusion.
6. Schritt: Auflösungsstadium
Fehlt in der Folgezeit der zyklogenetische
Antrieb, so wird durch die anhaltende Bodenkonvergenz das
Bodentief sukzessive aufgefüllt. Während in der Nähe
des Okklusionspunktes die Warmluft weiterhin gehoben wird (Vertikalschnitt
zwischen A und B), stellen sich im abschwächenden Zentrum
der Zyklone nahezu äquivalent barotrope Verhältnisse
ein und der frontale Charakter am Boden verschwindet gänzlich.
Infolge der fehlenden frontsenkrechten isallobarischen
Windkomponente verlagert sich das Wirbelzentrum auch kaum
noch und die Zyklone wird quasistationär. Bei besonders
intensiven Zyklonen ergibt sich durch die zunehmende vertikale
Mächtigkeit sogar ein steuernder Einfluss, was
durch einen Höhenwirbel auf Höhenkarten ersichtlich
wird.
Anschauung über Isallobaren:
Besonders schön lässt sich der gesamte Okklusionsprozess
mit Hilfe von Isallobaren darstellen.
Dabei kennzeichnet der schwarze Pfeil den isallobarischen
Wind, der zum Zentrum des stärksten Druckfalls "weht"
und dessen frontsenkrechte Komponente exakt die Verlagerung der
Front umschreibt.
In (A) ist eine instabile Frontenwelle mit einem Bodentief dargestellt.
Zyklogenese leitet nun die Entstehung
einer Zyklone ein (B). Anhaltende Druckfalltendenzen sorgen für
eine weitere Vertiefung und Verstärkung der Zyklone und den
beginnenden Okklusionsprozess. In (D) hat die Zyklone dann den
Punkt ihrer intensivsten Entwicklung überschritten und der
abnehmende Isallobarengradient
verdeutlicht, dass die Zyklone sich nur noch langsam fortbewegen
kann, ehe sie quasistationär wird.
Besonders interessant ist die zyklonale Drehung des isallobarischen
Windes während des gesamten Okklusionsprozesses. Dies
erklärt sich aus der Definition, denn durch den ageostrophischen
isallobarischen Wind wird
der geostrophische Wind in seiner
Richtung abgelenkt. Diese Ablenkung hat eine Komponente in Richtung
des tieferen Drucks und geht gleichzeitig mit einer subgeostrophischen
Geschwindigkeitsänderung des Realwindes in Größenordnung
der ROSSBY-Zahl (etwa 10% Abschwächung im synoptischen Scale)
einher. Daher erscheint der reale Wind stets etwas schwächer
als durch den Druckgradient vorgegeben und ist zudem konvergent
in Richtung Tiefzentrum.
Zeitliche Betrachtungen:
Im Normalfall beträgt die Lebensdauer einer Frontenzyklone
18-24h bis zyklolytische Prozesse hauptsächlich infolge der
Bodenreibung die Überhand nehmen. In Einzelfällen kann
natürlich durch besonders intensive Zyklogenese
die Lebensdauer auch erhöht werden.
Die stabilen Frontenwellen weisen dagegen aufgrund ihre stabilen
Natur eine etwas längere Lebensdauer von 24 bis teilweise
60h auf.
© Marcus Boljahn